Einleitung
Als im Februar 1817 der Regensburger Bischof Carl Theodor von Dalberg starb, wurde mit ihm eine der Symbolfiguren der Übergangszeit zwischen dem Ancien Regime und der neuen Ordnung Deutschlands und Europas zu Grabe getragen. Dalbertg war die zentrale Persönlichkeit des Rheinbunds gewesen und stand geradezu beispielhaft für die Verbindung deutscher Fürsten mit Napolen, dem Kaiser der Franzosen.
Beim Tod Dalbergs war die Zeit des Umbruchs noch nicht beendet. In Wien wurde auf der Basis der Bundesakte von 1815 weiter um die Gestaltung des Deutschen Bundes gerungen. Die Verhandlungen um die kirchliche Neugliederung Deutschlands und der Schweiz waren ebenfalls noch im Gange. Wenige Tage vor Dalbergs Tod war Graf Montgelas, der Mann, der die Geschicke Bayerns seit 1799 bestimmt hatte, von einer jüngeren Politikergeneration, die nicht mehr dem aufgeklärten Absolutismus verpflichtet war, gestürzt worden. Die Jahre 1817 und 1818 sollten die der staatlichen Konsolidierung Bayerns werden. Das bayerische Konkordat, die Verfassung nebst den Organischen Edikten und Verwaltungsreformen, insbesondere im kommunalen Bereich, wurden in diesen Jahren als Schlusssteine beim Neuaufbau des Königreichs Bayern gesetzt.
Im Gegensatz zu Bayern hatte sich Dalberg im Jahre 1813 nicht mehr rechtzeitig von Napoleon lösen können und war in dessen Sturz hineingezogen worden. Eiligst hatte er im Oktober Frankfurt verlassen und sich nach Konstanz geflüchtet, wo er im November als Großherzog von Frankfurt abdankte. Nach Regensburg, das er schon 1810 an Bayern abgetreten hatte, war er als Privatmann und kirchlicher Würdenträger gekommen, nicht mehr wie einst als souverainer Fürst und Primas des Rheinbunds.
Seine letzten Lebensjahre beherrschten neben den kirchlichen Aufgaben die Verhandlungen um die Entschädigung für das auf mehrere Bundesstaaten aufgeteilte Großherzogtum Frankfurt, die Geltendmachung seines Eigentums an Mobilien und Wertgegenständen sowie die Ordnung seiner Finanzen. Keine dieser Angelegenheiten war bis zu seinem Tod zur Zufriedenheit der Beteilgten erledigt worden.
Da die Vermögenslage des Verstorbenen verworren und die Erbschaftsfrage völlig offen war, schaltete sich das Appellationsgericht Amberg ein und übernahm die Abwicklung des Nachlasses. Um sich einen Überblick zu verschaffen, beschlagnahmte eine Obsignationskommission die in der Wohnung Dalbergs vorhandenen Papiere, brachte sie in eine gewisse Ordnung und erstellte ein Verzeichnis. Aufgrund der Aufgabenstellung des Nachlassgerichts legte man natürlich besonderen Wert auf Papiere, die Aufschluss über das Vermögen bzw. die finanziellen Ansprüche des Verstorbenen gaben. Papiere politischen Inhalts waren generell genüber den privaten und wirtschaftlichen in der Minderzahl; ein großer Teil des Schriftguts bestand aus Rechnungen und den zugehörigen Belegen.
Sowieso fanden sich in Regensburg überwiegend nur Papiere aus den Jahren ab 1814. Der ältere und größere Teil der privaten Registratur Dalbergs war bei seiner Flucht 1813 in Aschaffenburg zurückgeblieben. Dalberg hatte zwar später verfügt, dass diese Papiere seinem Stellvertreter in Konstanz, dem Weihbischof Wessenberg, übergeben werden sollten, ob dies jedoch überhaupt geschehen ist und was Wessenberg gegebenenfalls mit den Papieren gemacht hat, darüber rätselt die historische Forschung bis heute (vgl. dazu die Beiträge von H. Huber und A. Friese zu diesem Thema im Aschaffenburger Jahrbuch 2 (1955), S. 271-282). Für eine politische Geschichte des Rheinbunds und des Großherzogtums Frankfurt ist der Regensburger Teil des Nachlasses Dalbergs daher wenig ergiebig.
Die Nachlassabwicklung und die Auseinandersetzungen mit den Erbinteressenten zogen sich über Jahre und Jahrzehnte hin. Als kleines Zugeständnis an diejenigen, die Ansprüche erhoben, wurden ihnen Teile der privaten Korrespondenzen 1819 bzw. 1924 ausgehändigt. Die wenigen als politisch einzustufenden Papiere wurden schon zuvor zum Gebrauch an bayerische Ministerien (Innen, Außen und Finanzen), sofern sie ausschließlich nichtbayerische Territorien betrafen, aucn an die interessierten Staaten (vor allem Baden) extradiert. Einige Stücke sind auch offenbar erst im Laufe der Bemühungen der Justiz, finanzielle Ansprüche des Nachlasses zu reflektieren, zu Verlust geraten (z.B. die Schriftswechsel über den Rheinschifffahrtsoktroy).
Nach mehreren Kompetenzwechseln auf Seiten der Justiz wurden schließlich im Jahr 1905 die bei der Nachlassabwicklung angefallenen Justizakten samt den Dalberg'schen Papieren an das Allgemeine Reichsarchiv abgegeben, obwohl ja eigentlich das Kreisarchiv Amberg zuständig wäre.
Ein erstes Interesse für diesen Bestand entwickelte in den 1920er Jahren der Landtagsarchivar Dr. Heinrich Huber, ein gebürtiger Regensburger. Als dieser nach der Auflösung des Landtags durch die Nationalsozialisten 1934 dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv als Mitarbeiter zugewiesen worden war, ordnete er 1935/36 den Bestand und verfertigte darüber ein Repertorium.
1991 wurde der Bestand "Verlassenschaft Dalberg" wegen seines zeitlichen Schwerpunkts im 19. Jahrhundert von der Abteilung I (Ältere Bestände) an die Abteilung II (Neuere Bestände) überwiesen. Hierbei wurde er einer Provenienzanalyse unterzogen. Gleichzeitig wurden strukturelle Mängel, die bereits 1936 erkannt und moniert worden waren, beseitigt. Die bei der Analyse ermittelten Akten oberpfälzischer Justizbehörden kamen im Zuge der Beständebereinigung 1995 an das Staatsarchiv Amberg.
Nachdem nunmehr der restliche Nachlass, der durch die Entnahme von ca. 100 Justizakten sowie durch die strukturierenden Maßnahmen lückenhaft geworden war, der Abteilung V überwiesen wird, wurde eine nochmalige Überarbeitung durchgeführt. Sie hatte zur Folge, dass weitere drei Stücke als nicht zum Nachlass gehörig ausgeschieden wurden, und der eigentliche Nachlass eine neue Struktur und Zählung erhielt, die sich stärker als die vom Forschungsinteresse geprägte Ordnung Hubers an die Gliederung, wie sie die Obsignationskommission 1817 vorgefunden und konserviert hat, anlehnt.
In den letzten Jahrzehnten sind drei Archivalien dem Nachlass angereiht worden, die nur in losem Zusammenhang mit diesem stehen. Da sich deren Herkunft nicht mehr ermitteln ließ und auch kein "passenderer" Lagerort vorhanden ist, sind sie beim Nachlass verblieben. Ihre Zahl wurde noch durch eine Ablichtung des Verzeichnisses von 1817 (Original im StA Amberg) und das alte Repertorium aus der Feder Dr. Heinrich Hubers vermehrt.
Eine Konkordanz gibt Auskunft über den Verbleib bzw. die neue Signatur der Akten und Bände des aufgelösten Bestands "Verlassenschaft Dalberg".
Die Archivalien wurden durchgehend neu tektiert.
Bei den einzelnen Repertoriumseinträgen folgt auf "AR:" die Einordnung in das Verzeichnis von 1817, auf "AS:" die von Huber vergebene Signatur.
Januar 2002
Dr. Tröger
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Nachlass Dalberg, Carl Theodor von
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