Einleitung
Das 1852 gegründete Germanische Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg sammelte von Anbeginn an nicht nur Kunstwerke und Gegenstände des Kunsthandwerks, sondern suchte auch ein vollständiges Verzeichnis schriftlicher Dokumente der deutschen Geschichte zusammenzustellen. Dass dies angesichts der Menge ein vergebliches Unterfangen war, wurde rasch deutlich, obwohl bereits 1856 mehr als 45.000 Auszüge und Regesten angefertigt waren.
In den "Denkschriften des Germanischen Nationalmuseums" aus dem Jahre 1856 heißt es zur Archivaliensammlung: "Das Archiv des Museums ist nämlich von allen übrigen Archiven darin unterschieden, daß es nicht vorzugsweise berufen ist, vorhandene Original-Urkunden und Aktenschätze zu bewahren, sondern vielmehr, solche in andern Archiven bewahrten Schätze sich durch Abschriften anzueignen, Originale aber nur - wie dieß auch nicht anders sein kann insoweit aufzunehmen, als sie ihm Glück und Zufall in die Hände spielen. Ist auch die Masse der Urkunden ungeheuer groß, so befinden sich doch die allermeisten und gerade die wichtigsten von ihnen in festen Händen. Es wäre daher ein vergebliches, ja, sogar thörichtes Bemühen, sie in Original irgendwie centralisiren zu wollen. Sie mögen da liegen bleiben, wo sie sich sicher befinden, und nur solche mögen in unsem Archiv wandern, welchen etwa durch Unsicherheit und Wandelbarkeit des Besitzes Gefahr drohet, oder welche ein Privateigenthümer dem Archive des Museums, als einem hiefür geeigneten Aufbewahrungsorte anvertraut."
Die Archivalien des GNM sind der Abteilung "Historisches Archiv" zugeordnet (zur Unterscheidung vom 1964 gegründeten "Deutschen Kunstarchiv", vormals "Archiv für Bildende Kunst" im GNM). Nach dem Zweiten Weltkrieg entschied sich das GNM, diejenigen Archivalien an kommunale und staatliche Archive Bayerns abzugeben, die zu dort mehrheitlich verwahrten Provenienzen gehören. Dies betraf für das Staatsarchiv Nürnberg vor allem Archivalien der Reichsstadt Nürnberg und des Nürnberger Patriziats, dann des Hochstifts Eichstätt und des Fürstentums Ansbach.
Die Herkunft der im Original an das GNM gelangten Archivalien war vielfältig. Ein großer Teil der Urkunden etwa wurde auf dem freien Markt erworben, insbesondere von den Papier- und Pergamenthändlern (verwendet wurde das Pergament bei den Blattgoldschlägern). Auch Schenkungen an das Nationalmuseum stellen zweifellos einen wesentlichen Teil des Altbestandes dar.
Die Urkunden waren ohne Rücksicht auf die Provenienz nach zwei Gruppen geordnet: nach Pergament- und Papierurkunden.
Bereits 1923 unternahm die staatliche Archivverwaltung unter Generaldirektor Riederer im Zusammenhang mit der Neuorganisation der staatlichen Archive erste Anläufe zum Erwerb von Archivalien aus dem GNM. Der Verwaltungsrat des GNM zeigte sich auch zunächst sehr aufgeschlossen, jedoch verging über die Frage des "Äquivalents" (u. a. waren Cimelien oder Doubletten in der Diskussion) viel Zeit, bis der Zweite Weltkrieg diese Planungen obsolet machte. Erst um 1965 wurde das Projekt wieder verstärkt aufgegriffen.
Durch Beschluss des Verwaltungsrats des GNM vom Juni 1969 wurde die Abgabe von Archivalien der Abt. "Historisches Archiv" an die regional zuständigen Staats- und Stadtarchive grundsätzlich genehmigt, jedoch unter dem Vorbehalt, dass bestimmte Archivalien aufgrund ihres Alters (z. B. Pergamenturkunden vor 1350), Inhalts oder ihrer äußeren Form als "museumswürdig" von der Abgabe ausgeschlossen sind. Bereits 1968 hatte das GNM die Masse der Nürnberger Bestände als Leihgabe (!) an das Stadtarchiv Nürnberg abgegeben.
Nachdem mehrere Jahre lang die Bestände analysiert waren (Dr. Gerhard Rechter, StAN), wurde im Jahr 1982 der Ankauf der Archivalien durch die staatliche bayerische Archivverwaltung vollzogen.
Da die Archivalien im GNM zum Teil nach Pertinenzgesichtspunkten geordnet waren, war teilweise eine Einzelblattanalyse notwendig, um die Stücke provenienzgerecht zuordnen zu können. Nachdem zahlreiche Archivkartons v. a. durch Dr. Karl-Engelhardt Klaar und Dr. Gerhard Rechter 1988 bearbeitet worden waren, wurde nach dem pensionierungsbedingten Ausscheiden Dr. Klaars die aufwendige Analysearbeit bald darauf eingestellt.
Der Bestand wird im Zuge der weiteren Analysen und Verzeichnungen aufgelöst werden, da die Archivalien den provenienzgerechten Beständen zugewiesen werden.
Nürnberg, im Dezember 2019
Dr. Daniel Burger
(Archivoberrat)