Justiz
Für die Gerichtsbarkeit auf mittlerer Ebene entstanden 1802 die Hofgerichte, von denen das (aus der vormaligen Regierung gebildete) Hofgericht Straubing fast für das gesamte heutige Niederbayern zuständig war (bis jetzt formiert ca. 750 Akten mit ca. 16 lfm). 1809 wurden die Hofgerichte von Appellationsgerichten in allen Flusskreisen abgelöst. Das für den Unterdonaukreis zuständige hatte seinen Sitz wieder in Straubing, wurde aber 1839 nach Passau verlegt. 1879 löste man es auf und teilte Niederbayern zwischen den Sprengeln der neu entstandenen Oberlandesgerichte München und Nürnberg auf. Die Bestände Appellationsgericht für den Unterdonaukreis (Straubing) und für Niederbayern (Passau) umfassen bisher knapp 1000 Akten. Vom Appellationsgericht des Isarkreises liegt ein Kleinbestand vor.
Bei den 1818 eingerichteten Kreis- und Stadtgerichten (ursprünglich Gerichte erster Instanz wie die Landgerichte ä.O.) wurden 1848 Schwurgerichte eingerichtet, die zunächst über alle schwereren Verbrechen zu entscheiden hatten. Mit Gesetz vom 1. Juli 1856 wurden sie durch die Bezirksgerichte abgelöst, diese 1879 durch die Landgerichte (jüngerer Ordnung). Diesen zugeordnet sind die 1848 bei allen Kollegialgerichten errichteten Staatsanwaltschaften. Die Überlieferung der aus den Beständen der Landgerichte herausgelösten Bezirksgerichte Deggendorf, Landshut, Passau, Pfarrkirchen und Straubing umfasst ca. 1150 Akten. Daneben existieren Kleinbestände der Kreis- und Stadtgerichte Landshut, Passau und Straubing. Die Akten der Landgerichte (jüngerer Ordnung) Landshut, Passau, Straubing und Deggendorf sowie der zugeordneten Staatsanwaltschaften umfassen gut 20.000 Akten. Generell bestehen die älteren Justizbestände überwiegend aus Zivilprozessakten; Strafprozessakten haben sich in größerer Zahl erst ab dem späten 19. Jh. erhalten. Aus einer Abgabe der Staatsanwaltschaft Deggendorf stammen 18 Akten seiner von 1940 bis 1945 dort bestehenden Zweigstelle Bergreichenstein (Böhmen).
Die Landgerichte ä.O. sowie die auf gleicher Ebene tätigen Stadtgerichte wurden 1802 für die innere Verwaltung und als Justizstellen für die Gerichtsbarkeit auf unterer Ebene sowie für die freiwillige (notarielle) Gerichtsbarkeit eingerichtet. 1862 gliederte man die Verwaltungsaufgaben aus und übertrug sie den neuen Bezirksämtern (s. oben Ziff. II 1 Innere Verwaltung). Zum gleichen Zeitpunkt entstanden die Notariate (s. unten). Die Landgerichte (nun sog. mittlerer Ordnung) wurden als reine Justizstellen fortgeführt und 1879 im Rahmen der Vereinheitlichung des Justizwesens im Deutschen Reich in Amtsgerichte umbenannt. Von allen ehemaligen und jetzigen Amtsgerichten (insgesamt 31) liegen Bestände vor, die auch Überlieferung ihrer Vorgänger enthalten. Die Akten beinhalten Zivilstreitigkeiten, Todeserklärungen, Vaterschaftsanerkennungen u.a., jedoch kaum Strafprozessakten (insgesamt ca. 68.000 Akten). Daneben bestehen als Selekte die Nachlass- und Vormundschaftsakten (ab ca. 1870, ca. 590.000 Akten), die Todesanzeigen bis 1876 sowie aus dem Bereich der Grundbuchämter die Grundbücher mit den Grundbuchanlagen und ihren Vorgängern, den Hypothekenbüchern ( 11.000 Bände). Der Selekt der Briefprotokolle (ca. 3400 Bände) als Ausfluss der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist jetzt beschränkt auf die Protokolle der Landgerichte ä.O. (bis 1862). Hier wie auch bei anderen Briefprotokollserien (der Pfleggerichte, Hofmarken und Patrimonialgerichte) finden sich die meisten Verluste durch den Brand von 1961. Einen Teilersatz hierfür bietet eine (wenn auch gleichfalls durch den Brand betroffene) Serie von Hypothekenprotokollen, in denen alle mit einer Grundschuld verbundenen Verbriefungen eingetragen wurden. Einen weiteren Selekt aus dem Bereich des Justizwesens bildet der Bestand (Urteils)Bücher, der neben Registern, Protokollen und Gefangenenbüchern vor allem Zivil- und Strafurteilsbücher verschiedener Gerichtsebenen aus der Zeit von ca. 1849-1950 beinhaltet (ca. 1200 Bände, s.a. Justizvollzugsanstalt Straubing unten).
Neben den Landgerichten ä.O. bestanden auf der Basis der alten Hofmarksverfassung 1808-1848 die sog. Patrimonialgerichte adeliger Grundherrschaften. Ihre Befugnis war weitgehend auf die freiwillige Gerichtsbarkeit beschränkt. Nach ihrer Auflösung (spätestens 1848) gingen ihre Aufgaben an die staatlichen Landgerichte ä.O. über. Ihre meist kleinen Bestände wurden zu einem Sammelbestand Patrimonialgerichte zusammengefasst und enthalten in der Regel nur die Briefprotokolle sowie einige wenige Akten (Umfang: ca. 8600 Archivalien). Häufig muss hier mit Verlusten durch nachlässige Registraturpflege gerechnet werden.
Die Urkunden und Akten der niederbayerischen Notariate (eingerichtet 1862) befinden sich für den Sprengel des Oberlandesgerichts München, zu dem Niederbayern mit Ausnahme der dem Landgericht Regensburg zugeordneten Amtsgerichte Kelheim und Straubing gehört, in der Außenstelle des Staatsarchivs München auf der Willibaldsburg bei Eichstätt und für den des Oberlandesgerichts Nürnberg (Amtsgerichte Kelheim, Straubing) in der Außenstelle Lichtenau des Staatsarchivs Nürnberg.
Aus dem Aktengut der Justizvollzugsanstalt Straubing verwahrt das Staatsarchiv Gefangenenbücher und Gefangenenpersonenakten aus der Zeit vor allem zwischen den Weltkriegen (ca. 16 Bände und 2800 Akten). Hinzu kommt ein umfangreicher Bestand von hauptsächlich medizingeschichtlich interessanten Akten des Anstaltsspitals aus der Zeit seit dem späten 19. Jh. (ca. 10 lfm.). Ebenso werden Gefangenenpersonenakten von 1941-1946 sowie Gefangenenbücher von 1931-1946 der Justizvollzugsanstalt Landshut im Staatsarchiv verwahrt.
Zur Durchsetzung und Wahrung der in der NS-Zeit eingeführten Anerbenordnung wurden bei den Amtsgerichten Anerbengerichte gebildet. Die dort geführten Erbhöferollen sind in Auswahl, die Erbhofakten großenteils archiviert (ca. 15.500 Akten).
Die Erbgesundheitsgerichte entstanden 1933 zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Rassenlehre und entschieden über Sterilisierungen von Erbkranken. Der vorhandene Bestand der Erbgesundheitsgerichte Deggendorf, Landshut, Passau und Straubing umfasst ca. 2100 Akten.
Ende 1946 wurden unter dem Staatsministerium für Sonderaufgaben an den Sitzen der Amtsgerichte Spruchkammern eingerichtet, die über den Grad der politischen Belastung eines jeden Bürgers zu befinden hatten. Basis hierfür waren die Meldebögen, die jeder erwachsene Deutsche ausfüllen musste. Es wurden die Akten der Spruchkammern Bogen, Deggendorf, Dingolfing, Eggenfelden, Freyung, Grafenau, Griesbach, Kelheim, Kötzting, Landau, Landshut (Stadt und Land), Mainburg, Passau (Stadt und Land), Pfarrkirchen, Regen, Rottenburg, Straubing (Stadt und Land), Viechtach, Vilsbiburg, Vilshofen und Wegscheid übernommen. Sie beinhalten neben den Einzelverfahrensakten Akten über summarische Verfahren, Verwaltungsakten sowie die Meldebögen aus einzelnen Spruchkammersprengeln (insgesamt ca. 65.000 Akten).