Reichsstadt Nürnberg
Durch die Mediatisierung der Reichsstadt 1806 gelangten Archiv und viele Registraturteile an das Königreich Bayern, da zunächst das Prinzip der totalen Rechtsnachfolge galt. Die auch für Nürnberg geplante Aufteilung nach hoheitlichen und kommunalen Betreffen wurde im Gegensatz zu anderen Reichsstädten nicht in Angriff genommen. Trotz der Vernichtung umfangreichen Schriftguts im 18. und 19. Jahrhundert zählt die reichsstädtische Überlieferung nicht nur wegen des Umfangs (mit ca. 2000 lfm Schriftgut, darunter ca. 23.000 Urkunden), sondern auch wegen der Fülle und Dichte hochwertiger Quellen aus einem der (besonders im 14. bis 16. Jh.) bedeutendsten Gemeinwesen im Alten Reich zu den herausragenden Bestandteilen des Staatsarchivs. Überlieferung zum reichsstädtischen Stiftungswesen, des Stadtgerichts und des Bauamts wird auch im Stadtarchiv Nürnberg, zu den Nürnberger Kirchen sowie von Teilen des Stadt- und Landalmosenamts auch im Landeskirchlichen Archiv der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern, Nürnberg, verwahrt.
Seit der Verleihung des Großen Privilegs von 1219 ist im sogenannten Privilegienkämmerlein des Rathauses, auch als Untere Losungstube bezeichnet, das „Geheimarchiv“ entstanden. In diesem feuersicheren Gewölbe wurden staatsrechtlich wichtige Urkunden in den 39 Laden verwahrt, aus um denen um 1900 die sogenannten Kaiserprivilegien (1147 Urkunden, 1219 bis 1800) herausgelöst wurden; es verblieben die päpstlichen und fürstlichen Privilegien sowie die übrigen Urkunden der 39 Laden (910 Urkunden, 1264 bis 1805). Zu beachten ist hierbei, dass sich königliche und kaiserliche Urkunden (soweit kein Privileg nach der historischen Gliederung der 39 Laden) auch in jenem zweiten Urkundenbestand der "Päpstlichen und fürstlichen Privilegien" befinden. Weitere Verbriefungen, von nachrangiger Bedeutung, lagen in den 35 neuen Laden (ca. 3400 Urkunden, 1326–1630) bzw. in den 153 Laden des Siebenfarbigen Alphabets (ca. 5200 Urkunden, 14.–17. Jh.). Nach Rückgabe der Urkunden vor 1401 aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv war es möglich, die genannten und andere Bestände provenienzgemäß zu ergänzen.
Das Anwachsen von Schriftgut zur Rechnungslegung seit dem 14. Jh. ließ im Losungamt, der zentralen Finanzbehörde, mehrere Registraturen entstehen. Am bedeutendsten sind trotz Dezimierung die Stadtrechnungen (789 Bände, 29 lfm, 1377–1806) und die zugehörige detaillierten Stadtrechnungsbelege (3667 AE, 136,3 lfm, 15.-18. Jh.). Die Ämterrechnungen (ca. 11.600 AE, 139,3 lfm, ab 15. Jh.) mit einschlägiger Überlieferung aus dem Losungamt und aus zahlreichen Ämtern und Deputationen sind als Selekt formiert. Die Aktenüberlieferung (Losungamt Akten, 358 AE, 40,5 lfm) stammt vorwiegend aus dem 17. und 18. Jh. Amtsbücher (Losungamt Bände, 226 Bände, 20,2 lfm) sind seit Anfang des 15. Jh. überliefert (Ewiggeldbücher seit 1426). Daneben gibt es Reverse zum Bürgerrecht und zu Baugenehmigungen (322 Urkunden, 1406–1729) und Rechnungen des Markgräflichen Kriegs 1552 (96 AE, 3,5 lfm). Nachfolgebehörde des Losungamtes wurde mit übergreifenden Kompetenzen 1798 die Rentkammer (2.750 AE, 45,7 lfm, ab 1794).
Neben der Ratsstube im alten Rathaus war die Kanzlei, d.h. die Ratskanzlei, als eigentliche „Schaltstelle“ der reichsstädtischen Verwaltung untergebracht. Der ältere Teil des dort erwachsenen Schriftguts wurde vorwiegend in der „Oberen Registratur“, der jüngere und umfangreichere dagegen in der „Neuen (oder Größeren) Registratur“ aufbewahrt. Vor allem sind zu nennen Verlässe des Inneren Rats (protokollierte Entscheidungen des Rats: 4456 AE, 86 lfm, 1449/50, 1470–1808), Ratsbücher (über ausgewählte, ausführliche begründete Beschlüsse: 71 Bände, 8,7 lfm, 1400–1619) und Ratschlagbücher (Rechtsgutachten der Ratskonsulenten: 115 Bände, 11,4 lfm, 1442–18. Jh.). Besondere und schwierige Entscheidungen vor allem zur Außenpolitik enthalten die Verlässe der Herren Älteren (75 Bände, 5,5 lfm, 1543–1807), die Geheimen Verlässe der Herren Älteren (16 Bände, 1,8 lfm, 1549–1599, 1688–1804) und die Briefbücher der Herren Älteren (4 Bände, 0,5 lfm, 1576–1589, 1603–1621). In der Ratskanzlei wurden außerdem für die jährliche Vereidigung aller Beauftragten und Bediensteten Ämterbüchlein (325 Bände, 8,7 lfm, 1396–1806) geführt und Belegstücke der zahlreichen Mandate (5185 Stück, 14,2 lfm, ab 1491) gesammelt. Über das Verhältnis zu Kaiser und Reich geben zahlreiche Quellen Auskunft: so die äußerst wertvollen Briefbücher des Inneren Rats (359 Bände, 36,6 lfm, 1408–1738) mit Kopien der aus der Ratskanzlei auslaufenden Schreiben oder die Reichstagsakten (658 Bände, 69,2 lfm, ab Mitte 15. Jh.). Spezielleren Inhalts sind die Evangelischen Unionsakten (159 Bände, 12,9 lfm, 1609–1629), die Schwedischen Kriegsakten (81 Bände, 9,3 lfm, 1629–1649) und die Krönungsakten (Huldigungen und Krongesandtschaften, 96 Bände, 3,5 lfm, ab 15. Jh.). Das Verhältnis zu benachbarten Territorien spiegelt sich in den Kreistagsakten (495 Bände, 56,3 lfm, ab 1525), den Differentialakten (880 AE, 48,6 lfm, ab 15. Jh.), in der Eisernen Truhe (88 AE, 0,4 lfm, 1442–1791) und in den Lehenakten (312 AE, 12,1 lfm, ab 1544). Der Bestand Reichskammergericht (114 AE, 11,1 lfm, ab Ende 16. Jh.) hat meist Berichte über dessen Visitationen zum Inhalt. Eingaben und Briefe an den Rat, die nach Amtsperioden in Schachteln gesammelt worden waren, wurden 1558 als [Ratskanzlei,] A-Laden (208 Urkunden, 2714 Akten, 38,2 lfm, 15. Jh.–1558) geordnet. Es folgten in gleicher Weise B-Laden (126 Urkunden, 1296 Akten, 22,5 lfm, bis 1660) und später noch C-Laden (45 Urkunden, 1022 Akten, 21,7 lfm, ab 1449). Im frühen 19. Jh. wurden gleichsam als Auffangbestände noch D-Laden (134 Urkunden, 4920 Akten, 83,6 lfm, ab 15. Jh.) und E-Laden (21 Urkunden, 549 Akten, 14,1 lfm, ab 1500) aus verschiedensten Provenienzen formiert. Der Sammlung alter Chroniken bzw. „Manuskripte“ sind bis in jüngste Zeit stets weitere zugefügt worden, doch stammt der Kern der Handschriften (540 Bände, 30,5 lfm) aus der Ratskanzlei. Gleiches gilt für die (erst 1913 so benannten) Amts- und Standbücher (410 Bände, 25,5 lfm). Unter dieser rein formalen Charakterisierung sind Ratsgänge, Formularbücher, Kopialbücher, Achtbücher, Bürgerbücher, Gerichtsbücher, Polizeiordnungen zum Teil aus dem frühen 14. Jh. zu verstehen, denen aus Sachgründen entsprechende Überlieferung aus dem Losungamt, dem Zeugamt, dem Rugamt, dem Bauamt, den Waldämtern Sebald und Lorenz sowie zum Kirchen- und Stiftungswesen hinzugefügt wurde. Auf ähnliche Weise wurden die Salbücher (299 Bände, 15,2 lfm, ab 14. Jh.) formiert, bei denen verschiedenste Provenienzen (u.a. Deutscher Orden, s. Ziff. I 4) vermischt worden sind (1833).
Neben Losungamt und Ratskanzlei sind von weiteren Ämtern zum Teil sehr umfangreiche, provenienzreine Bestände erhalten. Aus dem Kirchen- und Vormundamt stammen die zur Verrechnung der Läutgebühren angelegten Totengeläutbücher (54 Bände, 5 lfm, 1451–1517) sowie die zu Nachlassregelungen geführten Ratstotenbücher (54 Bände, 4,6 lfm, 1564–1791). Nur vom Ende des 18. Jh. sind noch einige Akten dieses Amts erhalten, und auch zu den Lateinschulen ist lediglich ein geringer Rest vorhanden (10 AE, 0,2 lfm, 1620–1808).
Die Überlieferung der infolge der Reformation aufgelösten Nürnberger Klöster (1288 Urkunden, 284 Akten und Bände, 25,1 lfm, 1263–1791) ist von unterschiedlicher Beschaffenheit. In den Frauenklöstern (Magdalenerinnen zu St. Klara, Dominikanerinnen zu St. Katharina, Augustinerchorfrauen in Pillenreuth und Dominikanerinnen in Engelthal; s. unten) wurde der Bewahrung und Sicherung von Urkunden, Amtsbüchern und Akten offensichtlich größerer Wert zugemessen als in den Männerklöstern (St. Egidien [Benediktiner], Augustiner[eremiten], Dominikaner, Franziskaner, Frauenbrüder [Karmeliten] und Kartäuser). Die urkundliche Überlieferung zur Sebalduskirche, Lorenzkirche, Frauenkirche und zur Moritzkapelle ist weitgehend auf das 14./15. Jh. beschränkt (281 Urkunden, 20 Akten, 5,8 lfm). Nach Einführung der Reformation (1525) hat der Rat 1528 für die ehemaligen Liegenschaften von Männerklöstern und Stiftungen das Stadtalmosenamt und das Landalmosenamt (für Besitzungen inner- und außerhalb der Stadt) gegründet (ca. 350 Urkunden, über 850 Bände, ca. 4000 Akten, 91 lfm, 16.–18. Jh.); die Besitzungen des Franziskanerklosters wurden zum Teil schon in vorreformatorischer Zeit vom Heilig-Geist-Spital übernommen. Sonderfälle stellen wegen der erst später durchgeführten Säkularisierung der Frauenklöster das Klarenamt (ehemalige Klöster St. Klara und Pillenreuth), das Katharinenamt und das Pflegamt Engelthal dar. Die spärliche Überlieferung dieser Ämter gelangte über Behördenabgaben aus bayerischer Zeit in das Staatsarchiv. Der Bestand Heilig-Geist-Spital (774 Urkunden, 20 Akten, 12 lfm, 1314–1656) betrifft fast nur Orte und Güter außerhalb des Stadtgebiets.
Die sogenannte "Ältere Landschaft" der Reichsstadt Nürnberg (d.h. das außerhalb der Stadt gelegene Gebiet bis Anfang des 16. Jh.) ist von den Waldämtern Sebaldi und Lorenzi verwaltet worden. Neben den Amtsbüchern (97 Bände, 4,2 lfm; vgl. oben) sind aus dem 16. bis 18. Jh. über 3200 Akten (83,5 lfm) vorhanden; darunter befindet sich auch Überlieferung zu den 154 Gärten außerhalb der Stadt nördlich der Pegnitz in St. Johannis.
Nach dem Landshuter Erbfolgekrieg ist für die 1504 hinzugekommene „Jüngere Landschaft“ 1513 das Landpflegamt eingerichtet worden. Die Verlässe (protokollierte Entscheidungen der Landpfleger), Briefbücher (Kopien auslaufender Schreiben), Akten (getrennt nach Pflegämtern), Gemeinakten (mit übergreifendem Inhalt) und Urkunden bieten eine Fülle von Nachrichten über eines der größten Landgebiete einer Reichsstadt. Neben dem Schriftgut dieser Zentralbehörde (421 Urkunden, 4434 Akten und Bände, 234,7 lfm, ab 15. Jh.) steht das der Außenämter. Die Überlieferung der Pflegämter Altdorf, Betzenstein, Engelthal, Gräfenberg, Hersbruck, Hiltpoltstein, Hohenstein, Lauf, Lichtenau, Reicheneck, Velden ist nur zum Teil provenienzgemäß formiert, da sich der umfangreichere Teil noch in bayerischen Behördenabgaben befindet. Dem Landpflegamt zugeordnet war auch das Landsteueramt (185 AE, 2,1 lfm, ab 1511). Aus dem Landpflegamt ging 1799 das Lehendepartement hervor, von dem in bayerischer Zeit über 300 Lehenakten und -bücher an das Staatsarchiv gelangt sind.
Weiteres Schriftgut ist vom Kriegs- und Zeugamt (117 AE, 4,3 lfm, 18. Jh.),vom Landmarschkommissariat (104 Akten, 16,2 lfm, 18. Jh.), vom Bauamt (575 Akten, 6,6 lfm, ab 15. Jh.) und vom Wasseramt bzw. von der Deputation zum Pegnitzfluss (86 AE, 0,8 lfm, 1548–1799) überliefert. Vom ehemaligen Stadtgericht sind 2071 Prozessakten (38 lfm, 16.–18. Jh.) und 1307 Testamente (10,1 lfm, v.a. 18. Jh.) vorhanden. Vom Rugamt, der reichsstädtischen Handwerksbehörde, stammen 486 alphabetisch geordnete Geburts- und Lehrbriefe (3,8 lfm, 1584–1768).
Im Zuge der Provenienzanalysen in den bayerischen Behördenabgaben des 19. und 20. Jahrhunderts ermitteltes (bislang v.a. außenbehördliches) Schriftgut wird vor der endgültigen Formierung der neuen Fonds in dem in einer Datenbank erschlossenen Auffangbestand Nürnberger Archivalien zusammengefasst (bislang 1300 AE, 25 lfm, ab 16. Jh.).
Hinzuweisen ist noch auf folgende Pertinenzbestände: Druckschriften (969 AE, 19,6 lfm, ab 16. Jh.), Norica aus Ungarn (aus Archivalientausch mit Ungarn 1896; 140 AE, 0,2 lfm, 1407–1748) und Cimelien (s. unten Ziff. III 7).
Unter dem Nürnberger Patriziat (s. unten Ziff. I 6 Patriziat) nehmen die im 18. Jh. erloschenen Rieter von Kornburg durch ihre Aufnahme in die Reichsritterschaft eine Sonderstellung ein. Wegen ihrer als Stiftung formierten Güter gelangte auch einschlägiges Schriftgut in das reichsstädtische Archiv (Rietersche Stiftung; 743 Urkunden, 15. – Ende 17. Jh.; 50 Akten).
Zu Karten und Plänen s. unten Ziff. III 1.
Der Umfang der im Staatsarchiv Nürnberg verwahrten Überlieferung der Reichsstadt Nürnberg ist mit ca. 2.500 lfm als sehr beachtlich anzusehen.