Justiz
Die Konstitution und das Organische Edikt über die Gerichtsverfassung von 1808 schufen eine dreistufige Gerichtsverfassung mit den Landgerichten (älterer Ordnung), Stadtgerichten bzw. ab 1818 Kreis- und Stadtgerichten (letztere 1856 durch die Bezirksgerichte ersetzt, die in Strafsachen zugleich 2. Instanz waren und 1879 durch die Landgerichte [neuerer Ordnung] abgelöst wurden) auf der unteren Ebene, dem für jeden Kreis (Regierungsbezirk) gebildeten Appellationsgericht (ab 1879 Oberlandesgericht mit erweitertem Sprengel) auf der mittleren Ebene und dem Oberappellationsgericht in München (ab 1879 Bayerisches Oberstes Landesgericht) als oberster Instanz. Auf der unteren Ebene wurden Justiz und Verwaltung erst 1862 (s. oben Ziff. II 1 Innere Verwaltung) getrennt: Die seit 1802 eingerichteten Landgerichte (älterer Ordnung) sowie die in den Städten ab 1862 eingerichteten Stadt- bzw. Stadt- und Landgerichte sind nun reine Justizbehörden. Ab 1879 heißen sie Amtsgerichte.
Innerhalb des Bestandes des für den Isarkreis bzw. Oberbayern eingerichteten Appellationsgerichts für Oberbayern (1809 in München begründet, 1826 nach Landshut, 1839 nach Freising und 1862 definitiv nach München verlegt; in erster Instanz für Strafsachen, in zweiter Instanz für Zivilsachen zuständig) dominiert das Aktengut der zivilen Gerichtsbarkeit (z.B. Ehescheidungssachen, standesrechtliche Angelegenheiten), während die Strafakten wegen der im 19. Jh. erfolgten Kassationen große Lücken aufweisen (5.710 Akten, 150 lfm).
Der Bestand des 1879 (Reichsjustizreform) an die Stelle des Appellationsgerichts getretenen Oberlandesgerichts München umfasst zahlreiche Fideikommissakten, Status-, Gebäude- und Visitationsakten der nachgeordneten Gerichte, Gefängnisse und Notariate, Justizverwaltungsakten von der NS-Zeit bis in die 1970er Jahre, Urteilsbücher und Personalakten der Richter und sonstigen Justizbediensteten. Hinzu kommt eine umfangreiche Presseausschnittsammlung.
Aus der Registratur der Generalstaatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht München stammen umfangreiche Generalaktenserien, ehrengerichtliche Verfahren gegen Rechtsanwälte und Steuerberater, Status- und Gefängnisakten, Berichtshefte zu NSG-Verfahren sowie Unfallregister zu Strafgefangenen und Personalakten zu Staatsanwälten (2.885 Akten mit 41 lfm).
Die archivierten Unterlagen der vier Landgerichte (neuerer Ordnung, seit 1879) München I und II, Traunstein und seit 1988 Ingolstadt überliefern ausschließlich zivilrechtliche Verfahrensakten, wie Ehescheidungen, Vaterschaft und Unterhalt. Bedeutende Zivilprozesse werden in Auswahl archiviert (ca. 20.800 Akten, 150 lfm).
Zum Bestand der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I gehören auch die Akten des Sondergerichts München, dessen Zuständigkeit vor allem aus den seit 1933 ergangenen Verordnungen der Reichsregierung "zum Schutz von Volk und Staat", "zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung" (seit 1934 auch die NSDAP), dem Gesetz "zur Gewährleistung des Rechtsfriedens" u.a. resultierte; Gegenstände der Verfahren waren nicht zuletzt alle Formen des aktiven und passiven Widerstands (32.120 Akten, 570 lfm).
Im Gefolge der Revolution entstanden im November 1918 Volksgerichte, die mit Berufs- und Laienrichtern besetzt waren und bei Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit rasche Verfahren - ohne Rechtsmittel - ermöglichten (z. B. Prozesse gegen Arco und Hitler). Zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit nach dem Hitler-Putsch vom November 1923 wurden auf Anordnung des Generalstaatskommissars Standgerichte gebildet, die bis Februar 1925 Bestand hatten.
Die Überlieferung der zwischen 1802 und 1862 als Organe der Verwaltung und Rechtsprechung auf unterer Ebene bestehenden Landgerichte (älterer Ordnung) (unter Einschluss der Stadtgerichte sowie der Herrschafts- und Patrimonialgerichte, letztere bis 1848) wird aus den Behördenabgaben des 19. Jh. herausgelöst. Bei den Judizialakten überwiegt, wie auch beim Schriftgut der nach 1879 gebildeten Amtsgerichte (69.000 Akten, 470 lfm), der Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Teil der Bestände der Landgerichte (älterer Ordnung) bzw. der Amtsgerichte sind auch umfangreiche, als Selekte aufgestellte Serien von Briefprotokollen (ca. 12.500 Bde., 1.200 lfm), Hypotheken- und Grundbüchern (30.500 Bde., 2.150 lfm) sowie Nachlass- und Vormundschaftsakten (ca. 692.000 Akten, 1.423 lfm).
Die Vielzahl der Firmen und Vereinigungen im Sprengel wird in den Akten der Registergerichte der Amtsgerichte München und Traunstein dokumentiert (ca. 30.000 Akten, 300 lfm).
Für die Zeit der NS-Herrschaft waren nicht zuletzt verschiedene ideologisch begründete Gerichte charakteristisch. Als Ausfluss des Gesetzes "zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 entstanden bei jeweils einem Amtsgericht je Landgerichtssprengel ein Erbgesundheitsgericht, beim Oberlandesgericht München ein Erbgesundheitsobergericht, deren Überlieferungen mittlerweile für die Erbgesundheitsgerichte München und Rosenheim im Staatsarchiv verwahrt werden.
Zur Durchsetzung der vom Bürgerlichen Gesetzbuch abweichenden Anerbenordnung (Reichserbhofgesetz vom 29. September 1933) wurde ein Erbhofgericht beim Oberlandesgericht München mit örtlichen Anerbengerichten eingerichtet, deren Schriftgut in Auswahl archiviert ist (insgesamt 11.140 Akten, 74 lfm). Als berufsspezifisches Sondergericht wurde beim Landgericht München I ein Bezirksgericht der Presse gebildet (100 Akten).
Die Bestände der Justizvollzugsanstalten Aichach, Bernau a. Chiemsee, Eichstätt (ab 1973), Landsberg a. Lech, Laufen, Wasserburg a. Inn und München setzen überwiegend in den 1920er Jahren ein. Für die NS-Zeit enthalten die Bestände der JVA München-Stadelheim, Bernau, Landsberg a. Lech und Aichach neben den Haftbüchern auch die Häftlingspersonalbögen sowie teilweise auch Krankenblätter. Verwaltungsschriftgut ist nur für die Vorgängeranstalt der JVA München-Stadelheim aus dem 19. Jahrhundert überliefert (ca. 17.700 Akten, 147 lfm).
Die Unterlagen über die Entnazifizierung, die seit 1998 von den Amtsgerichten abgegeben worden sind, liegen seit 2003 vollständig für alle oberbayerischen Spruchkammern (inklusive Lager-Spruchkammern) vor. Die Vorlage erfolgt unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte Betroffener oder Dritter (263.000 Akten, 965 lfm).
Das Schriftgut der 144 Notariate im Oberlandesgerichtsbezirk München (Sprengel: Oberbayern, Niederbayern mit Ausnahme der Amtsgerichte Kelheim und Straubing, Schwaben) wird in der Außenstelle Eichstätt verwahrt (ca. 8,74 Millionen Einheiten nebst Registern, insgesamt ca. 6000 lfm).