Justizbehörden
Für die Justizstellen, die in Schwaben seit Erlass des Organischen Edikts über die Gerichtsverfassung von 1808 tätig geworden waren, bestehen ebenso eigene Fonds wie für ihre Nachfolger, die mit den seit 1857, 1862 und 1879 wirksamen Organisationsreformen geschaffen wurden.
Es gibt somit auf der mittleren Ebene der Justizverwaltung Bestände des Appellationsgerichts für den Oberdonaukreis bzw. von Schwaben und Neuburg (1870 von Neuburg nach Augsburg verlegt) und des 1932 aufgehobenen Oberlandesgerichts Augsburg (ab 1879–1932). Auf der Zwischenebene sind die Kreis- und Stadtgerichte Augsburg, Kempten und Memmingen (ab 1806), die Bezirksgerichte Augsburg, Donauwörth, Kempten und Memmingen (ab 1856)) und schließlich die Landgerichte neuer Ordnung (ab 1879) Augsburg, Kempten, Lindau (1946–1956), Memmingen und Neuburg a.d. Donau (1879–1932) zu nennen. Die Überlieferungsdichte ist sehr unterschiedlich. Zahlenmäßig dominierend sind Angelegenheiten der streitigen und nichtstreitigen Ziviljustiz. Der Bereich der Strafgerichtsbarkeit ist über Akten zu Einzelverfahren erst seit 1879 breiter dokumentiert. Nur Bestandssplitter existieren von der Obersten Justizstelle für Schwaben in Ulm (1803–1808), den Hof- bzw. Appellationsgerichten Memmingen und Neuburg in ihren bis 1817 gültigen Zuständigkeitsbereichen, von dem Schwurgericht für Schwaben und Neuburg sowie den Staatsanwaltschaften bis 1879 und von den für die süddeutsche Wirtschaft bedeutsamen Augsburger Wechsel- und Handelsgerichten (1807–1879). Von den Wechsel- bzw. Handelsgerichten Memmingen und Kempten haben sich jedoch für die regionale Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts interessante Bestände erhalten (darunter Urteilsbücher, Register, Wechselmatrikel). Die Registraturen aller Augsburger Justizbehörden erlitten 1944 kriegsbedingt starke Verluste, die auch Bestände von damals bereits erloschenen Institutionen – wie des Oberlandesgerichts Augsburg und des Landgerichts Neuburg a.d. Donau – einschlossen.
Derzeitiger Umfang der Bestände dieser Gerichte einschließlich der zugeordneten Staatsanwaltschaften: rund 610 lfm Akten sowie 40 lfm Bände (z.B. Sitzungsprotokolle, Verfahrensregister).
Mit Trennung von Justiz und Verwaltung auf der unteren Ebene wurden die 1803 eingerichteten Landgerichte älterer Ordnung (siehe II 1. Innere Verwaltung) im Jahr 1862 in Landgerichte mittlerer Ordnung als reine Justizbehörden umgewandelt. An deren Stelle traten infolge des Gerichtsverfassungsgesetzes 1879 die Amtsgerichte. Wegen des gleichen Aufgabenzuschnitts wird deren Schriftgut fortlaufend ab 1862 geführt. Besonders hervorzuheben sind die Serien an Nachlass- und Vormundschaftsakten (rund 2.000 lfm), der Hypotheken- und Grundbücher (ca. 940 lfm) der Registergerichtsakten ( 120 lfm) sowie der Zivil- und Strafakten der Amtsgerichte (ca. 400 lfm). Damit zählt dieser Bereich zu den quantitativ größten Blöcken in der Tektonik des Staatsarchivs.
Von Anstalten des Strafvollzugs liegen Organisationsunterlagen sowie Gefangenen-Personalakten und -bücher der Zwangsarbeitsanstalt bzw. des Zuchthauses Kaisheim (ab 1816), der Staatserziehungsanstalt, Festungs- und Jugendhaftanstalt Niederschönenfeld (ab 1862) sowie der Untersuchungsgefängnisse, Justizvollzugsanstalten bzw. Gerichtsgefängnisse Augsburg (ab 1933), Donauwörth (1933-1964), Kaufbeuren (1941-1969), Kempten (1930-1967), Memmingen (1954-1966), Neuburg a.d. Donau (1907-1964), Neu-Ulm (1934-1951), Obergünzburg (1931-1949) und Sonthofen (1883-1955) vor.
Rund 6000 Verfahrensakten der in Schwaben tätigen nationalsozialistischen Erbgesundheitsgerichte Augsburg, Günzburg und Kempten, die früher vom Oberlandesgericht München verwahrt wurden, sind inzwischen an das Staatsarchiv abgegeben und entsprechend erschlossen worden.
Da das Schriftgut der Notare (ab 1862) auf Oberlandesgerichtsebene archiviert wird, sind die Unterlagen der schwäbischen Notare im Staatsarchiv München, Außenstelle Eichstätt-Willibaldsburg, zu finden.