Bequeme Kutsche für böse Buben - Konstruktionszeichnung einer elektrisch betriebenen „Grünen Minna“ für die JVA München-Stadelheim
Bequeme Kutsche für böse Buben - Konstruktionszeichnung einer elektrisch betriebenen „Grünen Minna“ für die JVA München-Stadelheim
München, 1909
Das Automobil hatte bis zu dem Typ, der uns heute bekannt ist, eine langjährige Entwicklungsgeschichte hinter sich. Zahlreiche Pioniere trugen ihren Teil dazu bei, allen voran der in München wirkende Uhrmacher Christian Reithmann (1818-1909), der noch vor Nikolaus Otto 1873 einen Viertaktmotor für seine Uhrmacherwerkstatt gebaut hatte, der Wiener Siegfried Marcus (1831-1898) und der Belgier Jean Joseph Étienne Lenoir (1822-1900), die sich um den Zweitaktmotor verdient gemacht hatten und natürlich Nikolaus Otto (1832-1891), durch den die erste serienmäßige Produktion von Viertaktmotoren 1876 durch die Deutz AG in Köln ermöglicht wurde. Sein heutiges Aussehen erhielt das Automobil durch Carl Benz (1844-1929) in Mannheim, Gottlieb Daimler (1834-1900) in Stuttgart und Wilhelm Maybach (1849-1929) in den 1890er Jahren. Dabei war in der frühen Phase des Automobils nicht abzusehen, ob sich der Verbrennungsmotor oder der elektrische Antrieb durchsetzen wird. 1888 baute die Coburger Maschinenfabrik A. Flocken den weltweit ersten elektrisch angetriebenen Personenkraftwagen, 1901 erreichte ein elektrisch betriebenes Fahrzeug erstmals eine Geschwindigkeit von über 100 km/h. Um und kurz nach der Jahrhundertwende hatten Elektroautos einen Marktanteil von etwa 40%. Deren Niedergang setzte ab etwa 1910 ein, als das Starten von Benzinern durch das Betätigen eines Anlassers anstelle des Ankurbelns viel bequemer wurde, diese eine größere Reichweite aufwiesen und das Angebot billigen Benzins die sensiblen Akkus verdrängte.
Auch das Bayerische Staatsministerium der Justiz wollte sich den neuen Entwicklungen nicht verschließen und beauftragte am 2. März 1909 die Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim der Frage nach dem Ersatz der Pferdefuhrwerke durch Kraftwagen intensiv nachzugehen. Die Gefängnisverwaltung setzte sich daraufhin mit der Fa. Pfister, Mayr & Co aus Berlin in Verbindung und ließ sich von dieser ein Angebot über ein Fahrzeug mit einer Leistung von 5 PS und einer Fahrgeschwindigkeit von 15-16 km/h, fabriziert von der Münchner Firma Anton Aumüller, anfertigen. Die Gefängnisverwaltung war dem Vorschlag nicht grundsätzlich abgeneigt, glaubte man, die Kosten für das Pferdefuhrwerk, die drei Kutscher und sechs Pferde im Wesentlichen einsparen zu können. Schließlich sprach sich die Gefängnisverwaltung Stadelheim nach eingehender Prüfung für die Anschaffung eines Fahrzeugs aus, beharrte jedoch aus Sicherheitsgründen auf einem Fahrzeug mit Elektroantrieb, da sich ”Kraftwagen mit Benzin – oder Benzolbetrieb … wegen der gegebenen Feuer- und Explosionsgefahr für Gefangenentransportzwecke von vorneherein” nicht eignen würden. Die Stellungnahme ging schließlich an das Ministerium, wo die Angelegenheit jedoch nicht weiter verfolgt wurde, denn der erste Einsatz eines Kraftwagens in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim erfolgte im Jahr 1920.
Kolorierter Plan, Papier, 31 x 48 cm. Staatsarchiv München, JVA München-Stadelheim, Abgabe 2015
Dr. Christoph Bachmann
Richard von Frankenberg, Marco Matteucci, Geschichte des Automobils. Sigloch/Künzelsau 1973
Quellen: StAM AG München-Registergericht 9150 (Anton Aumüller)