Was ist ein Archiv und wer darf es benutzen?
Ein Archiv verwahrt Urkunden, Akten, Amtsbücher, Karten und Pläne (und Modelle), Fotos, Filme, Dateien und Datenbanken und vieles mehr.
Warum werden diese Informationen aufbewahrt? Warum hebt man überhaupt etwas auf?
Hierfür gibt es verschiedene Gründe. Der wichtigste Grund ist die Sicherung von rechtlichen Ansprüchen – zum Beweis. Ein anderer wichtiger Grund ist das Erinnern. Was nicht schriftlich überliefert ist, wird vergessen. Zur Erinnerung an ein Ereignis, z.B. eine politische Kundgebung, eine Ordensverleihung oder eine private Geburtstagsfeier oder eine Hochzeit, macht man Fotos. Später beweisen die Fotos, wer an dem Ereignis teilgenommen hat. Manchmal kann man sich schon bald nicht mehr genau erinnern, wer die Personen auf den Fotos waren. Gut, wenn jemand aufgeschrieben hat, wer zu sehen ist. Fotografien gibt es allerdings erst seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Vorher muss man auf andere bildliche Quellen zurückgreifen.
Seit dem Mittelalter werden für den Kauf oder Verkauf von Grund und Boden Urkunden ausgestellt, die beweisen, dass der Verkauf stattgefunden hat und der Kaufpreis bezahlt wurde. Heute ist es damit nicht getan: ein Grundstückskauf wird darüber hinaus in einem amtlichen Register, dem Grundbuch, festgehalten.
Wenn man viele Dinge besitzt oder verwaltet, muss man den Überblick behalten. Zu unterschiedlichen Zeiten haben die Menschen verschiedene Strategien entwickelt, ihre schriftlichen Aufzeichnungen zu ordnen. Eine Möglichkeit ist die Anlage eines Buches mit einem Inhaltsverzeichnis und einem Register, das verschiedene Zugriffe auf den Inhalt eröffnet. Eine andere Möglichkeit ist die Zusammenfassung der einzelnen Schriftstücke in Akten.
Wie in den Verwaltungen auch, führen die meisten Menschen Akten, in denen sie wichtige Dokumente ablegen.
Im Unterschied zu den Büchern in einer Bibliothek ist die Überlieferung, die ein Archiv verwahrt, in der Regel nur einmal vorhanden. Bei einem Vertragsabschluss bekommt jede Vertragspartei eine Ausfertigung einer Urkunde. Vielleicht lässt man sich zur Sicherheit noch eine Abschrift erstellen und beglaubigen, trotzdem sollte das Original nicht verloren gehen. Jede Zeit hat dabei ihre eigene Form der sicheren Verwahrung gefunden: u.a. dicke Mauern, schwere Türen, doppelte Schlösser, Metallkassetten. Heute setzt man auf Gesichtserkennung, Fingerabdruckscanner, Passwörter, Alarmanlagen, Panzertüren, Betonwände, dichte Fenster und Türen und Klimaanlagen. Denn was nützt es, wenn zwar kein Dieb hereinkommt, aber Schädlinge, Schmutz und Schimmel die Originale zerstören.
Die wichtigen Unterlagen eines Staates, seiner Behörden und Gerichte werden in besonders gut geschützten Archiven verwahrt. Für das heutige Bayern sind die Staatlichen Archive Bayerns dafür zuständig. Als Gedächtnis des Landes bewahren sie die wichtigsten schriftlichen Quellen zur bayerischen Geschichte, beginnend im 8. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Neben dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München gibt es in jedem Regierungsbezirk ein Staatsarchiv (Amberg, Augsburg, Bamberg, Coburg, Landshut, München, Nürnberg, Würzburg). Aufgrund besonderer historischer Umstände hat der Regierungsbezirk Oberfranken mit Coburg und Bamberg zwei Staatsarchive.
Das Bayerische Hauptstaatsarchiv ist das Zentralarchiv für das Herzogtum, Kurfürstentum, Königreich und den Freistaat Bayern. Sobald Ministerien (z.B. Innenministerium, Kultusministerium) und Landesoberbehörden (z.B. Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau) ihre Unterlagen nicht mehr im Tagesgeschäft benötigen, bieten sie diese dem Hauptstaatsarchiv an. Die Archivarinnen und Archivare entscheiden, welche Unterlagen ins Archiv kommen und welche vernichtet werden dürfen.
Darüber hinaus befinden sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv die Archive der im Rahmen der Säkularisation und Mediatisierung – also der Aufhebung und Einziehung kirchlicher und landständischer Besitzungen – zu Beginn des 19. Jahrhunderts – an Bayern gefallenen geistlichen und weltlichen Institutionen Ober- und Niederbayerns (der sogenannte Bayerische Reichskreis ohne die Oberpfalz). Beispiele sind die Archive der Hochstifte Freising und Passau und der Klöster Tegernsee und Seeon. Aber auch Urkunden und Amtsbücher aus dem Kloster Ranshofen im heutigen Österreich befinden sich im Hauptstaatsarchiv.
Das Bayerische Hauptstaatsarchiv verwahrt auch die schriftliche Überlieferung der ehemaligen bayerischen Armee bis 1919. Ergänzend zu den staatlichen Unterlagen wird weiteres Schriftgut übernommen. Beispiele sind die Unterlagen wichtiger Vereine, Verbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts (z.B. Bayerischer Gemeindetag, Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband). Dazu kommen Nachlässe bedeutender bayerischer Persönlichkeiten aus Politik und Verwaltung (z.B. Minister Maximilian Graf von Montgelas, Ministerpräsident Hans Ehard, Ministerin Mathilde Berghofer-Weichner, Ministerpräsident Max Streibl).
Die Staatsarchive sind jeweils für die Mittelbehörden (z.B. Regierungen der sieben Regierungsbezirke) und Unterbehörden (z.B. Landratsämter) in ihrem Regierungsbezirk zuständig. Beachtet werden muss, dass sich hier meist die aktuelle Zuständigkeit von der historischen Zuständigkeit vor 1800 unterscheidet. Das Staatsarchiv München ist heute für den Regierungsbezirk Oberbayern zuständig. Den historischen Sprengel bilden unter anderem die Rentmeisterämter (frühere Verwaltungsbezirke) München und Burghausen im Herzogtum bzw. Kurfürstentum Bayern. Zum Rentmeisteramt Burghausen gehörte vor 1779 das heute österreichische Innviertel. Auch die in Napoleonischer Zeit zwischen 1805 und 1816 vorübergehend bayerischen Gebiete Tirols und Salzburgs zählen zum historischen Zuständigkeitsbereich des Staatsarchivs München.
Das Staatsarchiv Bamberg, das heute für den Regierungsbezirk Oberfranken (ohne den Landkreis Coburg) verantwortlich ist, zählt zu seinem historischen Sprengel die Territorien des Hochstifts Bamberg und des Markgraftums Brandenburg-Kulmbach-Bayreuth. Das Staatsarchiv Coburg ist für Stadt und Landkreis Coburg sowie historisch für Teile des ehemaligen Herzogtums Sachsen-Coburg und Gotha zuständig.
Über die genauen Zuständigkeiten und die Beständestruktur informiert man sich am besten über die Homepage der Staatlichen Archive Bayerns.
Neben den staatlichen Archiven hat Bayern eine Fülle weiterer Archive, z.B. das Bayerische Wirtschaftsarchiv, Kirchen- und Diözesanarchive, Gemeindearchive, Adelsarchive, Universitäts- und Literaturarchive.
Anders als ein Museum, dessen Objekte jeder anschauen kann, kann ein staatliches Archiv zwar grundsätzlich auch jeder benutzen, es muss vorher jedoch ein schriftlicher Antrag gestellt werden. Darin muss angegeben werden, warum man in einem staatlichen Archiv forschen möchte (z.B. Heimatforschung, Familiengeschichte, andere wissenschaftliche Forschungen, rechtliche Gründe). Minderjährige Benutzerinnen und Benutzer benötigen eine schriftliche Einverständniserklärung ihrer Eltern. Rechtliche Grundlage für das staatliche Archivwesen in Bayern ist das Bayerische Archivgesetz und die Benützungsordnung für die staatlichen Archive. Dort ist unter anderem geregelt, dass Unterlagen, die noch nicht älter als dreißig Jahre sind oder die sich auf eine Person beziehen, die noch nicht mindestens zehn Jahre tot ist, nicht vorgelegt werden dürfen. In besonderen Ausnahmefällen können diese Schutzfristen verkürzt werden, das muss aber schriftlich beantragt und begründet werden.