Einleitung
2011 wurde das Archiv der Herrschaft Schwarzenberg nach Franken zurückgebracht und im Staatsarchiv Nürnberg neu erschlossen (zur Familien-, Verwaltungs- und Archivgeschichte siehe allgemein das Vorwort zum Bestand "Herrschaft Schwarzenberg, Urkunden"!). Darunter befanden sich auch 1.694 Pakete, die zu Kriegsbeginn 1939 unter der Bezeichnung "Registratur" verpackt worden waren. In den Bündeln 344-488 enthielten sie das so genannte "Seinsheimer Archiv" und eine zugehörige "Registratura particularis". Hinter diesem Komplex verbirgt sich das ältere Aktenarchiv der 1655 durch die Familie Schwarzenberg erworbenen Herrschaft Seinsheim. Es umfasst im Wesentlichen Schriftgut aus dem 15. bis ins 18. Jahrhundert über die fränkischen Besitzungen der Herren von Seinsheim auf Erlach und deren erloschener Nebenlinien. Hierzu zählten die Güter Marktbreit, Hohen- und Niederkottenheim und Seehaus, Haundorf und Ampferach sowie die 1663/64 an Schwarzenberg verkaufte Herrschaft Erlach mit Zugehörungen.
Überlieferungsgeschichte zum Seinsheimer Archiv
Einen kleinen Einblick in die Beschaffenheit des vor 1655 vermutlich im Schloss Seehaus lokalisiert gewesenen Seinsheimer Archivs gibt ein Archivverzeichnis des Registrators Valentin Egen vom 25. Juni 1638, welches sich recht unsystematisch in die Rubriken Lehenurkunden, Heiratssachen, Wittumssachen, Verträge, Urteilsbriefe, Schuldverschreibungen, Testamente, Reverse, Miscellanea, Sünchinger Sachen, Marktbreiter Sachen, Erlacher Sachen, Obernbreiter Sachen, Seehäuser Sachen, Schuldakten, Kreissachen und gemeinschaftliche Sachen gliedert (Herrschaft Schwarzenberg, Registratur 2002). Mit dem Straubinger Vertrag vom 10. Juni 1655 wurde die auf das Testament Georg Ludwigs von Seinsheim d.Ä. von 1589 zurückgehende seinsheimische Fideikommissherrschaft dem Grafen Johann Adolph von Schwarzenberg zugesprochen (Abschrift in Herrschaft Schwarzenberg, Urkunden 2131). Damit stand auch das Archiv dem neuen Inhaber zu. Dies wurde durch die Schwarzenberg konsequent eingefordert, sodass im Schloss Schwarzenberg bald eine Neuordnung der erheblich angewachsenen Aktenmassen notwendig wurde. 1666 legte der für das dortige Archiv zuständige Sekretär Caspar Langen ein vierbändiges Repertorium über das Seinsheimer Archiv und noch in demselben Jahr ein fünfbändiges Repertorium über das Schwarzenberger Archiv vor (vgl. Berger, Archive, S. 43; siehe auch das Vorwort zum Schwarzenberger Archiv). Ersteres wurde 2016 als "Nachzügler" von der tschechischen Archivverwaltung dem Staatsarchiv Nürnberg ausgehändigt (Herrschaft Schwarzenberg, Archivverwaltung 43-46). Es gliedert sich in 197 Laden, die zu 12 Klassen zusammengefasst sind. Die daran angeschlossene "Registratura particularis" enthält in zwei Abschnitten oder 20 Laden die General- und Spezialakten der Gemeinden und Untertanen, die Adolf Berger zufolge "eigentlich eine Fortsetzung" des Seinsheimer Archivs darstellen und im Jahr 1673 repertorisiert wurden (Berger, Archive, S. 50; vgl. Herrschaft Schwarzenberg, Archivverwaltung 47). Aus dieser Zeit haben sich auch einzelne Schrankbeschriftungen erhalten (Herrschaft Schwarzenberg, Archivverwaltung 5). Das Findbuch zum Seinsheimer Archiv wurde noch einige Jahrzehnte über Langens Tod hinaus fortgeschrieben; die jüngsten darin verzeichneten Akten reichen etwa bis ins Jahr 1710. Diejenigen seinsheimischen Unterlagen, die die Herrschaft Sünching betrafen, hatte man bereits 1661 an den Freiherrn Friedrich Ludwig von Seinsheim überschickt (Herrschaft Schwarzenberg, Seinsheimer Archiv 488/9).
Eine wichtige archivgeschichtliche Zäsur für Schwarzenberg war das Jahr 1783. In diesem Jahr wurde eine Archiv-Instruktion erlassen, derzufolge das - wie es damals hieß - seit den 1680er Jahren nicht mehr weiter verzeichnete Archiv inventarisiert, die in der Registratur versteckte Vielzahl an "Dokumenten, Originalien und andere Archivsakten" ins Archiv überführt und die Repertorien neu umgeschrieben werden sollten (Herrschaft Schwarzenberg, Registratur 918/7). Vermutlich in Folge dessen wurden zahlreiche weitere Akten ins Seinsheimer Archiv eingereiht, deren Betreffe sich auf den Besitzkomplex der Herrschaft Seinsheim bezogen. Diese Nachträge wurden allerdings nicht verzeichnet, sondern nur an der entsprechenden Stelle am Fach eingelegt. Zugleich beendete der um 1783 eingerichtete neue Aktenplan für eine gemeinsame Registratur die Zweiteilung in eine Schwarzenberger und eine Seinsheimer Überlieferung, so dass die beiden älteren Archivkörper ab diesem Stichjahr im Wesentlichen abgeschlossen waren. Auch im 19. Jahrhundert wurden jedoch dem Seinsheimer Archiv kontinuierlich ältere aufgefundene Archivalien angereiht. Augenscheinlich aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammt die einheitliche äußere Formierung mit vorgedruckten Tekturblättern und Aktenfahnen, die wohl vom Domanialkanzleidirektor Joseph Schwarz beschriftet wurden, der ab 1886 für das Archiv zuständig war. Umgekehrt erlitt der Bestand starke Einbußen durch Abgaben an das Zentralarchiv und die - allerdings nicht vollständig durchgeführte - Herausnahme von Stücken für das Amtsbuch- und Urkundenarchiv; zahlreiche Vermerke im Altrepertorium weisen darauf hin. Im August 1934 wurde das Findmittel zum Seinsheimer Archiv von dem nach Schwarzenberg abgeordneten Zentralarchivar Ferdinand Andraschko einer letzten Revision am Fach unterzogen und mit Haken bzw. Fehlvermerken versehen, bevor die Archivalien 1939 zu Bündeln verschnürt wurden - für die nächsten 70 Jahre, wie sich herausstellen sollte.
Bearbeitungshinweise
Nach der Übergabe ans Staatsarchiv Nürnberg wurden die Archivalienbündel des "Seinsheimer Archivs" ab 2012 durch Ferienarbeiter ausgepackt und dabei zunächst in ihrem überkommenen Gesamtzusammenhang unter der Bestandsbezeichnung "Registratur" belassen. In einem zweiten Erschließungsdurchgang im zweiten Halbjahr 2016 wurde dieser Teilfonds durch Dr. Nicola Humphreys und Dr. Johannes Staudenmaier aus der Bestandsgruppe "Registratur" herausgelöst und mit der eigenen Bestandsbezeichnung "Seinsheimer Archiv" versehen. Die Archivalien waren bereits beim ersten Auspacken mit der jeweiligen Bündel-Nummer und einer pro Verzeichnungseinheit im Paket durchgezählten Unternummer beschriftet worden. Diese Nummern wurden bei der 2016 durchgeführten Korrektur der Bestandsbezeichnung als aktuelle Bestellsignaturen beibehalten, auch um den 2011 vorgefundenen Ordnungszustand zu dokumentieren. Demzufolge beginnt der Bestand "Seinsheimer Archiv" mit der Bestellsignatur 344/1. Im Zuge der Bearbeitung wurde zudem das Altrepertorium mit Bleistift um die aktuellen Signaturen bzw. gegebenenfalls um präzisierte Betreffe und Laufzeiten ergänzt, und die zahlreichen Nachträge wurden neu in FAUST verzeichnet. In den Bündeln 484-488 befanden sich bislang unverzeichnete, nur mangelhaft formierte "Miscellanea und Perlustranda", die bei der Erschließung je nach Archivalientypus und Laufzeit teils zum Seinsheimer Archiv verzeichnet, teils aber auch zu anderen Teilfonds entnommen wurden. Diverse Ergänzungen des Seinsheimer Archivs aus dem Schwarzenberger Archiv sowie aus den "Perlustranda" wurden hingegen an das letzte Bündel der Partikularregistratur zum Seinsheimer Archiv (Nr. 488) mit fortlaufenden Unternummern angehängt. Auch künftig noch aufzufindende Nachträge sollen unter der Bündelnummer 488 angereiht werden.
Die Daten des (inklusive Partikularregistratur) fünfbändigen Altrepertoriums wurden im Winter 2016/17 durch Dr. Nicola Humphreys in FAUST eingegeben. Dabei wurde der Grundsatz verfolgt, die Diktion und den Informationsgehalt der Vorlage weitestgehend beizubehalten, dabei aber die Verständlichkeit der im 17. Jahrhundert angelegten Repertorieneinträge zu erhöhen. Deshalb wurden die Schreibungen (außer bei Familiennamen) an die moderne Grammatik und Orthographie angepasst, die zahlreichen Latinismen und lateinischen Einsprengsel großteils ins Deutsche übertragen sowie Wortstellung und Satzbau behutsam korrigiert. Die im Altrepertorium oft vorhandenen, aus zeitgenössischen Verwaltungsinteressen entstandenen Anmerkungen wurden im "Enthält-/Darin-Vermerk" wiedergegeben und mit dem einheitlichen Kennzeichen "NB" (Nota Bene) eingeleitet. In den Akten enthaltenes Sondermaterial (Drucke, Skizzen) wurde ebenfalls nach Möglichkeit - aber sicher nicht vollständig - im "Enthält-/Darin-Vermerk" erfasst. Alle Verzeichnungseinheiten wurden mit Einträgen im Orts- und Personennamenregister versehen. Die Verzeichnungsdaten der nicht mehr vorhandenen Archivalieneinheiten wurden - deutlich markiert mit dem Schlagwort "Fehlt" im Feld "Typ" und natürlich ohne aktuelle Bestellsignatur - aus dem Altrepertorium übernommen, ebenso wie die dort in roter Tinte angegebenen Hinweise auf die im 19. Jahrhundert zum Urkundenselekt entnommenen Urkunden (insges. 713 Stück). Parallel wurden die entsprechenden Datensätze des Urkundenselekts um Sachgliederungszuordnung (bis auf weiteres im Aktenplan des Seinsheimer Archivs), Siegelbeschreibungen und Aktenzeichen ergänzt. Die weiteren Entnahmen zum Urkundenselekt waren anhand der alten Urkundenumschläge rekonstruierbar und sind im Bestand "Herrschaft Schwarzenberg, Urkunden" entsprechend gekennzeichnet (insges. 946 Stück). Bei denjenigen Fehlnummern, die im Amtsbuchselekt auffindbar waren, wurde im Bestand "Seinsheimer Archiv" ein Verweis auf die aktuelle Bestellsignatur angefügt (insges. 13 Stück).
Zur Gliederung des Bestands wurde der - ursprünglich der physischen Lagerungsform am Fach (Ladeneinteilung!) entsprechende - Aktenplan im Wesentlichen übernommen, allerdings wurden die Formulierungen schlagwortartig gestrafft und zusammengehörige, sich über mehrere Laden erstreckende Punkte zusammengeführt. Die Nummerierung und Reihung der Gliederungspunkte folgt dem Altrepertorium, auch um die daraus in die Datenbank übernommenen Querverweise weiterhin transparent zu halten. Teilweise wurden in den bestehenden Gliederungspunkten einzelne Ortsnamen stillschweigend ergänzt oder neue, mit Zusatzbuchstaben in eckigen Klammern kenntlich gemachte Unterpunkte erstellt. Die beiden Teile der "Registratura particularis" wurden, wiewohl bei ihrer Einrichtung mit einer eigenen fortlaufenden Laden-Zählung versehen (Lade 1-20), aus Zweckmäßigkeitsgründen nunmehr als neue Klassen XIII und XIV behutsam dem Aktenplan des Seinsheimer Archivs beigeordnet. Die Zuweisung der Archivalieneinheiten zum Aktenplan wurde bei der Neuerschließung relativ frei gehandhabt, da vor allem die späteren Nachträge häufig unzutreffend eingereiht waren. Einige wenige Stücke wurden der Ortssystematik entsprechend zum Bestand "Schwarzenberger Archiv" entnommen. Der frühere Ordnungszusammenhang bleibt jedoch anhand der im Feld "Registratursignatur/AZ" aufgeführten alten Aktenzeichen weiterhin nachvollziehbar. Die Anordnung der Verzeichnungseinheiten im Findbuchausdruck erfolgt unterhalb der Sachgliederungsebene in chronologischer Reihenfolge.
Bilanz
Bei Abschluss der Erschließungsarbeiten umfasst der Bestand "Seinsheimer Archiv" einschließlich Partikularregistratur Akten vom ersten Drittel des 16. Jahrhunderts bis ins ausgehende 18. Jahrhundert, während die noch enthaltenen Amtsbuchfragmente und Urkundenabschriften sogar bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen. Die Gesamtzahl beläuft sich auf 1.576 Archivalieneinheiten zuzüglich 274 Fehlnummern und 11 Hinweis-Datensätzen (in der Summe also 1861 Verzeichnungseinheiten).
Im Bestand reich dokumentiert ist die Besitz-, Verwaltungs- und Alltagsgeschichte der in Franken gelegenen seinsheimischen Territorien (Familiengüter außerhalb Frankens sind allenfalls am Rande tangiert). Auch das Kirchen- und Gemeindewesen der zugehörigen Orte und die Privatangelegenheiten der Untertanen sind aufgrund herrschaftlicher Aufsichtsfunktionen und der freiwilligen Gerichtsbarkeit (z.B. Vormundschaftsverwaltung) ausgiebig belegt. Als ins Zentralarchiv abgegeben und damit hier als fehlend erweisen sich vor allem die Familienkorrespondenzen sowie die bis zur formellen Übernahme der seinsheimischen Stimmvertretung durch Schwarzenberg 1662 angefallenen Reichs- und Kreissachen. Vorhanden sind hingegen Unterlagen des Grafenkollegs sowie vereinzelt der Reichsritterschaft (vgl. dazu auch des Schwarzenberger Archiv). Eine Lücke von 69 Verzeichnungseinheiten entstand außerdem aus ungeklärten Gründen am Ende des Seinsheimer Archivs bei den Partikularsachen des Orts Marktbreit ab 1553 (Registratura particularis Lade 15-20). Nahezu sämtliche aktuellen Fehlnummern waren bereits bei der letzten Inventarisierung im Schloss Schwarzenberg 1934 nicht mehr am Fach, so dass seit diesem Zeitpunkt keine größeren Verluste eingetreten sind.
Als weitere einschlägige Überlieferung ist nachdrücklich auf die Akten im Bestand "Herrschaft Schwarzenberg, Registratur" hinzuweisen, da das Trennjahr zwischen den beiden Teilfonds (1783) bei der Aktenformierung in vielen Fällen über- oder unterschritten wurde. Gewisse Überschneidungen sind auch mit dem Bestand "Herrschaft Schwarzenberg, Rechnungen" zu konstatieren, wo sich - sofern vorhanden - die Fortsetzung der im Seinsheimer Archiv überlieferten Kirchen- und Gemeinderechnungen findet; die eigenen herrschaftlichen Rechnungsserien sind hingegen ausschließlich im Rechnungsselekt vertreten. Auch ist zu erwarten, dass aus den bislang nicht vollständig erschlossenen "Perlustranda" künftig noch einzelne Archivalien dem Seinsheimer Archiv zugeschlagen werden. Eine vollständige Neusignierung des Bestands scheint allenfalls nach Abschluss dieser Arbeiten sinnvoll. Erst dann kann außerdem ein bestandsübergreifendes Restaurierungskonzept erarbeitet werden, um die durch Schimmel geschädigten, bislang in der Datenbank als "nicht vorlegbar" gekennzeichneten Archivalien wieder zugänglich zu machen.
Nürnberg, 22. Februar 2017
Dr. Nicola Humphreys
Achtung: die mit dem Schlagwort "Fehlt" markierten Verzeichnungseinheiten sind im Staatsarchiv Nürnberg nicht vorhanden und können nicht bestellt werden!