Justizverwaltung
Die mit der Konstitution von 1808 in Bayern eingeleiteten Reformen von Verwaltung und Justiz erwiesen sich in den oberfränkischen Zuwachsgebieten als schwer durchführbare Aufgabe. Denn hier mussten die dem bayerischen Staatsverband einverleibten Fürstentümer - das Hochstift Bamberg mit seinem schwerfälligen Verwaltungsapparat einerseits und das seit 1792 dem straffen Verwaltungshandeln preußischer Staatsreformer unterworfene Fürstentum Bayreuth andererseits - mit ihren unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen der schon weitgehend vorgegebenen Staatsorganisation Altbayerns angegliedert werden.
Die Oberste Justizbehörde für Franken in Bamberg bestand von 1803 bis 1808. Von ihr konnte bisher weder im Staatsarchiv Bamberg noch im Bayerischen Hauptstaatsarchiv eine Überlieferung ermittelt werden. Ihr untergeordnet war das Hofgericht Bamberg (1803 - Ende 1808), dessen Bestand zuletzt rekonstruiert und als Findmittel (auch online) zur Verfügung gestellt werden konnte. Nachfolgebehörde des Hofgerichts wurde das Appellationsgericht des Mainkreises, ab 1817 des Obermainkreises ab 1838 Appellationsgericht von Oberfranken, seit 1879 Oberlandesgericht Bamberg.
Das Staatsarchiv birgt das archivalische Schriftgut der Rechtsprechungsorgane in sehr unterschiedlicher Überlieferungsdichte. Im Bestand Appellationsgericht von Oberfranken überwiegen anteilsmäßig die Akten in Justizverwaltungsangelegenheiten und der zivilen Gerichtsbarkeit (mit Urteilssammlungen in Ehescheidungs- und Zivilsachen), aus der Strafrechtsprechung liegen "Kriminalerkenntnisse" (Urteilssammlungen) für die Jahre 1849-1880 vor. Insgesamt umfasst das Appellationsgericht ca. 78 lfm, davon entfallen ca 6 lfm auf Zivilprozessakten.
Im Bestand des Oberlandesgerichts Bamberg zählen derzeit 2.784 Personalakten (26 lfm) von Justizbediensteten sowie General- und Sammelakten in Justizverwaltungsangelegenheiten, die sich auf ca. 6.400 Einheiten belaufen (163 lfm), zu den umfänglichsten Archivaliengruppen. Zahlenmäßig weniger ins Gewicht fallen 489 Akten der Disziplinarkammer Bamberg für richterliche und nichtrichterliche Beamte (ca. 6 lfm), die Unterlagen der beiden Fideikommiss-Senate (41 lfm) und die Justizverwaltungssachen über die Strafanstalten des OLG-Sprengels sowie die Prozessregister und die Urteilssammlungen in Berufungs- und Beschwerdesachen (6 lfm).
Die Tätigkeit des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht Bamberg ist durch ca. 540 Ermittlungssachen, die die Zeiträume 1911-1945 und 1971-2000 (NSG-Verfahren) umfassen und schwerpunktmäßig die NS-Zeit betreffen, bisher nur unzulänglich dokumentiert.
Die archivierten Unterlagen der drei Landgerichte (neuerer Ordnung) Bamberg, Bayreuth und Hof (das Landgericht Coburg ist dem Zuständigkeitsbereich des dortigen Staatsarchivs zugeteilt) weisen einen differenzierten Dokumentations- und Erschließungsgrad auf. Da diese Archivbestände teilweise noch die Überlieferung der Bezirksgerichte Bamberg, Bayreuth und Hof, der Kreis- und Stadtgerichte Bamberg und Bayreuth, aber partiell auch der Staatsanwaltschaften und Volksgerichte enthalten, lassen sich über ihre Struktur noch keine endgültigen Aussagen treffen. Für die ersten Jahre der Tätigkeit der Landgerichte hat sich nur unbeträchtliches Zivil- und Strafprozessaktenmaterial erhalten. Zum Teil vorhandene Urteilsbücher und Prozessregister können diese Dokumentationslücke bei weitem nicht ausgleichen. Erst in den letzten Jahrzehnten gelangten Unterlagen in breiterem Umfang in die Archive. Erwähnenswert sind hier zahlreiche Zivilprozessurteile und Akten der drei oberfränkischen Landgerichte Bamberg, Bayreuth und Hof (ca. 3200 Einheiten), die auch vom juristischen Standpunkt "dauernd aufzubewahren" sind und deshalb ins Staatsarchiv wanderten, 311 Urteile der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hof sowie 4615 Strafprozesse des Landgerichts Bayreuth (7 lfm), sog. Restakten, die auf die Aktenbestandteile Anklageschrift, Sitzungsprotokoll mit Urteil und Strantritts- bzw. Strafentlassungsanzeige reduziert wurden. Darüber hinaus übernahm das Staatsarchiv in jüngerer Zeit von allen Landgerichten ca. 8300 Ehescheidungsakten und -urteile aus der Zeit des Dritten Reichs und der unmittelbaren Nachkriegszeit (Heimkehrerproblematik). Die Akten dokumentieren die Rechtsprechung bis zur Reform des Ehescheidungsrechts im Jahr 1976.
Innerhalb der Quellenüberlieferung des Landgerichts Bayreuth befinden sich noch 1705 Einzelurteile und weitere Urteilsbücher des von 1848 bis 1924 bestehenden Oberfränkischen Schwurgerichtshofs in Bayreuth.
Die im Jahr 1848 geschaffenen Staatsanwaltschaften wurden als staatliche Stellen mit der Aufgabe der Anklageerhebung und der Überwachung der Strafrechtspflege durch alle Instanzen betraut. Die Justizreformen von 1861/62 und das Gerichtsverfassungsgesetz von 1879 wies sie endgültig als Strafverfolgungsbehörden aus. Die Bestände der Staatsanwaltschaften bei den drei Landgerichten Bamberg, Bayreuth und Hof (die Staatsanwaltschaft Coburg ist dem Staatsarchiv Coburg zugeordnet) reichen zwar teilweise zurück bis ins 19. Jahrhundert, in der Regel wurden Strafprozessakten allerdings erst in jüngerer Zeit als "archivwürdig" erachtet, so dass nur wenige Strafprozessregister und Strafurteile (meist in der Form sog. Urteilsbücher) vorhanden sind. Erst für die Zeit der Weimarer Republik verbessert sich die archivalischen Überlieferung. Der größere Teil der insgesamt ca. 10.400 hier verwahrten Strafverfahren stammt jedoch aus der Nachkriegszeit. Diese Unterlagen unterliegen in der Regel noch den personenschutzrechtlichen Einschränkungen des Bayerischen Archivgesetzes und sind vielfach noch für Benützungen gesperrt.
Seit dem Jahr 1996 stehen der historischen Forschung unter den Einschränkungen des Bayerischen Archivgesetzes auch insgesamt 1713 Ermittlungs- und Verfahrensakten und eine Sammlung von Urteilsabschriften des Sondergerichts Bamberg sowie weitere 638 Verfahrensakten des im Juni 1942 zusätzlich für die Landgerichtsbezirke Bayreuth und Hof eingerichteten Sondergerichts Bayreuth zur Verfügung. Ab 1940 waren die Sondergerichte, gegen deren Urteile keine Rechtsmittel zulässig waren, ausschließlich für Fälle zuständig, die unter das Kriegssonderstrafrecht und das Heimtückegesetz fielen.
Den "rassehygienischen" Zielvorstellungen der Nationalsozialisten entsprechend schrieb das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14.7.1933 die zwangsweise Sterilisierung von "Erbkranken" vor. Bei den Landgerichten wurden Erbgesundheitsgerichte eingerichtet, bestehend jeweils aus einem Richter und zwei Ärzten, die über Anträge auf Sterilisierung von "Erbkranken" zu entscheiden hatten. Die über 2600 Einzelfallakten der Erbgesundheitsgerichte Bamberg, Bayreuth und Hof (ca. 11 lfm) befinden sich nun im Staatsarchiv, unterliegen allerdings den Benützungsbeschränkungen für medizinische Unterlagen.
Von den seit 1804 als Organe der Verwaltung und Rechtsprechung auf unterer Ebene bestehenden Landgerichten älterer Ordnung (bis 1862) unter Einschluss der Stadtgerichte sowie den Herrschafts- und Patrimonialgerichten (bis 1848) verwahrt das Staatsarchiv den Hauptteil der schriftlichen Überlieferung getrennt nach Verwaltungs- (s. oben Ziff. II 1) und Judizialakten. Es überwiegt hierbei, wie auch beim Schriftgut der 1879 nachfolgenden Amtsgerichte, der Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Eingeschlossen in die Bestände der Landgerichte bzw. Amtsgerichte sind meist umfangreiche Serien der Brief- und Hypothekenprotokolle samt Beilagenbänden sowie die älteren Grundakten (1801 bis ca. 1830) für die ehemals Bayreuther Landesteile. Hypotheken- und Grundbücher bilden einen lagerungsbedingten Selekt, der aus Platzgründen im Staatsarchiv Coburg aufbewahrt wird (ca. 500 lfm). Auch die umfangreichen Massenakten der Vormundschafts- (ca. 150.000 Archivalieneinheiten) und Nachlassgerichte (insgesamt ca. 250.000 Einheiten) mussten raumbedingt in ein angemietetes Depot außerhalb Bambergs ausgelagert werden, weshalb sie derzeit nur unter größerem zeitlichen und logistischen Aufwand benutzbar sind.
An adeligen Rechtsprechungsorganen gab es in Oberfranken teilweise bis 1848 Ortsgerichte (seit 1818: Patrimonialgerichte) oder Herrschaftsgerichte. Sie durchbrachen, mit unterschiedlichsten Befugnissen ausgestattet, das Netz der staatlichen Landgerichtsorganisation. Ihre Bestände sind noch den Landgerichten älterer Ordnung einverleibt.
Die Urkunden und Akten der oberfränkischen Notare bzw. Notariate befinden sich in der Außenstelle Marienberg des Staatsarchivs Würzburg.
Die Justizvollzugsanstalten Bamberg, St. Georgen-Bayreuth, Ebrach, Hof, Kronach und das Zuchthaus Plassenburg sind mit Generalakten, Personalakten (ca. 500 Nrn.), Gefangenenpersonenakten, Gefangenenbüchern (ca. 15 lfm.) sowie Krankenbögen aus der Zeit des Nationalsozialismus allerdings in sehr unterschiedlicher Überlieferungsdichte (insgesamt ca. 150 lfm) repräsentiert.
Der Gesamtumfang der Bestände aus Abgaben der Justiz beläuft sich auf ca. 4.320 lfm.