23. Foto
Es war ein langer Weg von der ersten fotografischen Aufnahme im Jahr 1826 durch den Franzosen Niepce bis zur Berufsfotografie, die einen gewaltigen Aufschwung durch die Erfindung des Rollfilms 1889 erfuhr. Die kurzen Belichtungszeiten erlaubten es nun auch, flüchtige Ereignisse in Momentaufnahmen festzuhalten.
Sofern nicht ein Foto zufälligerweise Anlage zu einem Aktenvorgang war, sind Fotos in den behördlichen Akten wenig zu finden. Dafür haben Foto-Enthusiasten schon früh begonnen, Fotos entweder wegen ihrer künstlerischen Bedeutung oder aber wegen ihres dokumentarischen Wertes zu sammeln. Friedrich Rehse (1870-1952), selber von Beruf Fotograf, gliederte unter dem letzteren Aspekt auch viele Fotos seinem „Archiv zur Zeitgeschichte und Publizistik München“ ein, die insbesondere die Protagonisten der damaligen Politik und die politischen Ereignisse dieser Jahre im Bild festhielten. Manche Berufsfotografen verlegten sich schwerpunktmäßig darauf, als Zeitchronisten das politische Geschehen zu fotografieren und die Abzüge an ein interessiertes Publikum zu verkaufen. Das gezeigte Foto war für den kommerziellen Vetrieb gedacht und stammt aus der bereits genannten Sammlung Rehse.
Erläuterung: Die Schwarzweiß-Aufnahme zeigt eine Gruppe von Männern, die in Marschordnung aufgestellt sind. Alle tragen festtägliche Kleidung (weiße Hemden mit Krawatte, Hüte mit Blumenschmuck), eine weiße Binde am linken Oberarm und ein Gewehr geschultert. Im Hintergrund ist durch eine Baumgruppe verdeckt ein Palais zu sehen. Ein Aufdruck links oben nennt das herstellende Fotoatelier: Atelier Elite, München, Müllerstr. 3. Aus weiteren Fotos im Umfeld des gezeigten geht hervor, dass es zu einer Serie von Aufnahmen gehört, die während des vom 25. bis 30 September 1920 in München abgehaltenen Landesschießens der Einwohnerwehren Bayerns entstanden sind. Das Palais im Hintergrund ist höchstwahrscheinlich das Palais Barlow in der Brienner Straße, das spätere Braune Haus. Unser Foto zeigt also eine zum Abmarsch aufgestellte Gruppe von Männern der Einwohnerwehr, die anschließend zum Königsplatz zog, wo Ministerpräsident Gustav von Kahr auf den Stufen der Antikensammlung stehend eine Ansprache hielt. Neben ihm standen der Landeshauptmann der Einwohnerwehren, Georg Escherich, und Franz Ritter von Epp. Wäre das Foto isoliert überliefert worden, hätten wir Mühe, es so präzise zu deuten. Damit wird ein großes Problem angesprochen, das vielen Fotos anhaftet. Nur ganz selten ist eine originäre Beschriftung auf dem Foto, welche die Personen benennt sowie Ort und Zeitpunkt der Aufnahme klarstellt. Erst durch solche Angaben kann das Foto seinen eigentlichen dokumentarischen Auftrag erfüllen und Geschichte erzählen.