13. Internationale Fürstenkorrespondenz
Neben dem reinen Privatbrief, den es in allen Jahrhunderten gab, entwickelte sich seit dem 14. Jahrhundert eine offizielle Korrespondenz der Landesherren untereinander. Anfänglich trugen die Schriftstücke den lateinischen Namen Missiv, zu Deutsch Sendschreiben. Später spaltete sich diese Korrespondenz in die beiden Unterarten Kanzleischreiben (lettre de chancellerie) und Handschreiben (lettre de cabinet) auf. Es war stets von großer Bedeutung, ob man einem im Rang Gleichgestellten oder gar Übergeordneten schrieb. In letzterem Fall rückte die Intitulatio (Selbstnennung des Ausstellers) unter den Text, um nicht den Anschein zu erwecken, man erhebe sich über den Adressaten. Kam ab dem 15. bzw. 16. Jahrhundert auch noch eine eigenhändige Unterschrift dazu, wurde diese unter die Intitulatio gestellt.
Erläuterung: Gräfin Elisabeth von Württemberg schreibt an ihren Vater, Markgraf und Kurfürst Albrecht (Achilles) von Brandenburg sowie Burggraf von Nürnberg. Obwohl der Brief sehr privater Natur ist, bedient sie sich zwangsläufig der offiziellen Form des Kanzleischreibens, wie es die Etikette unter Landesherren erfordert. Inhalt ist die Einladung zur heute noch berühmten und in einem Historienspiel gefeierten Landshuter Fürstenhochzeit 1475, zu der sie kommen und dort ihre Eltern und ihre Brüder sehen möchte. Der Brief ist von einem Kanzleischreiber in sorgfältiger Kanzleischrift geschrieben und nicht von der eigentlichen Absenderin. Eine eigenhändige Unterschrift ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht üblich; die unter dem Brieftext stehende Namensnennung ist die Intitulatio, die ebenfalls der Kanzleischreiber geschrieben hat. Das große Loch im Papier ist vermutlich durch Mäusefraß entstanden.
Zur Abbildung der Außenseite: Dem Spätmittelalter war das Briefkuvert noch unbekannt. Deshalb durften alle Schreiben und Briefe damals nur einseitig beschrieben werden, weil man sie entsprechend falten und die unbeschriebene Außenseite für die Adresse verwenden musste. Die Faltung wurde so vorgenommen, dass man den gefalteten Brief mit Siegellack verschließen und das Siegel des Absenders aufdrücken konnte. Zum Öffnen wurde das Siegel zerbrochen; die beiden Reste sind deutlich zu sehen. Der Empfänger des Briefs wird regelmäßig nur in der Adresse mit seinem Namen genannt, nicht jedoch im Schreiben selbst. Hier ist in unserem Beispiel nur von Fürst, Herr und Vater die Rede.
Transkription:
„Hochgebornner furst, (über der Zeile nachgetragen: hertz) lieber her und vatter, min kintlich schuldig truw und was ich liebs und gutz vermag alltzit zevor. Das stuck linwat mir von uwer vatterlichen truwe yetz zugesant ist mir sovil mer zu[o] [..]den, das ich darby erkenn uwer vatterlichen lieb so in feren landen und so in mercklichen [………] min ingedenck gewesen sin als ain getruwer vatter siner lieben dochter, darum[ …………]ube dises tuchs nit hoch gnu[o]g waiss ze achten. [..]tzo so fuge ich uwer vatterli[chen ………..] das der hochgebornn min lieber herr und sweher mich mit im nemmen will gen Lands[hut] uff die hochtzit und mich nach eren schön und wol halten, demnach sin lieb mir ouch uff dieselben hochtzit machen lassen will ainen guldin rocke und ain samentin schuben. Uff soliche hochtzyt ze kommen mich aber mer williget, so ich hör und vernim, das uwer vatterliche lieb und ouch min liebe frowe und mu[o]tter und mine lieben bruder dahin kommen sollen und das ich hiedurch uch und sie alle sehen umb sachen und mich mit uwer vetterlichen lieb und inen allen grossen froden mag ergötzen. Uff solichs ich ouch yetz Hannsen minem kamerer bewiser dis brieffs gen Nuremberg schicken tun, mir daselbs umb das gelte, das uwer vetterliche truw mir geben hatt, etlich berlin ze kouffen, da ich uwer vetterlich truw flyssig bitt, ob disem minem camerer an gelte hierinnen etwas gebruchs und mangel sin wurd, das dann uwer vatterlich lieb mir das darlychen wöll, so bald ich dann so ryhe wird, das ich das uwer lieb bezalen mag, will ichs gern tun und dartzu solichs in kintlicher truw und lieb verschulden gegen derselben uwer vetterliche truw, die der allmechtig in seligkait lanng woll frysten und bewaren. Datum Stutgarten, uff frytag nach sannt Bartolomeus tag appostaloris anno domini LXX quinto
Elisabeth gebornn marggreffin in Brandenburg
unnd grevin zu Wirtemberg und in Mumppelgart etc.“
Außenseite mit der Adresse:
„Dem hochgebornnen fursten unnd herrn herrn Albrechten marggraven
zu Brandemburg, des hailigen romischen richs ertzkamerer unnd
churfursten, zu Stettin, Pommern etc. hertzog, burggraven zu
Nuremberg und fursten zu Rugen etc., minem hertzlieben herrn
und getruwen vatter“