22. Plakat
Plakate als ein Mittel amtlicher Veröffentlichungen gab es schon seit dem 18. Jahrhundert, von dem besonders in kriegerischen Zeiten häufiger Gebrauch gemacht wurde. Eine ganz neue Dimension erhielt das Plakat seit dem Aufkommen politischer Parteien in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Parteien entdeckten im Plakat ein Medium, das sie in einer Zeit, da es noch kein Radio und kein Fernsehen gab, werbewirksam und schlagkräftig für die Wahlpropaganda einsetzen konnten. Die knappe Fläche zwang zu extremer Zuspitzung der Formulierungen und bildlichen Gestaltung. Das Plakat wollte nicht nur den Verstand ansprechen, sondern vielleicht noch mehr Begeisterung entfachen, Ängste schüren, Vertrauen wecken.
Plakate waren nur insofern klassisches Archivgut, als sie sich als Beilage in den Verwaltungsakten fanden. Die große Masse vor allem der politischen und Werbeplakate wäre nie in die Archive gekommen, wenn sich nicht schon sehr früh private Sammler dieses Gegenstands angenommen hätten. In Bayern war dies der Fotograf Friedrich Josef Maria Rehse (1870-1952), der seit Beginn des Ersten Weltkriegs eine zeitgeschichtliche Dokumentensammlung anzulegen begann, die er als „Archiv zur Zeitgeschichte und Publizistik München“ bezeichnete. Sie umfasste vor allem Plakate, Flugblätter, Fotos, Broschüren, Fahnen und sonstige Gegenstände, welche die Geschichte der damaligen politischen Parteien illustrierten. 1929 verkaufte er seine Sammlung der NSDAP, in deren Auftrag er nun seine Sammlung fortführte. Bei Kriegsende von den Amerikanern beschlagnahmt, wurde sie zum größeren Teil an Deutschland zurückgegeben und zwischen dem Bundesarchiv in Koblenz und dem Hauptstaatsarchiv in München aufgeteilt. Das abgebildete Plakat entstammt dieser Sammlung.
Erläuterung: Das hier gezeigte Wahlplakat der Bayerischen Volkspartei wurde für die Reichstagswahl am 6. November 1932 eingesetzt, nachdem es fast identisch schon für die Reichstagswahl am 31. Juli 1932 gebraucht worden war. Es ist geprägt durch die markante Männergestalt, die mit dem Schwert in der Faust die mehrköpfige Schlange „Diktatur“ bekämpft. Zwei der Köpfe sind durch die Symbole der Kommunistischen Partei (Hammer und Sichel) und der NSDAP (Hakenkreuz) eindeutig den Parteien der extremen Rechten und Linken zugewiesen. Als Motto und Losung der Volkspartei schwebt oben der Spruch „für Recht und Freiheit“. Die Polarisierung ist unübersehbar: Hier die Bayerische Volkspartei in Gestalt eines muskulösen Mannes, der für Recht und Freiheit kämpft, - dort das mehrköpfige Ungeheuer der extremen Parteien, das man nur mit dem Schwert ausrotten kann.